Einfacher hat man es in dieser Beziehung, wenn im Hintergrund Tanzmusik erklingt. Denken Sie an ein elegantes Tanzlokal oder an einen festlichen Ball. Sie wünschen sich nichts sehnlicher als mit der jungen Dame an Ihrem Tisch, die Ihnen von Freunden bereits vorgestellt wurde, zu tanzen.
Nichts einfacher als das (vorausgesetzt, Sie können tanzen). Sie treten vor die Dame hin, machen eine leichte Verbeugung und fragen: „Darf ich bitten?“ Die sehr formelle Etikette sagt, dass man das bei Damen, die einem noch nicht vorgestellt wurden, nicht darf. Da müsste man sich also zuerst vorstellen und dann um den Tanz bitten. Es kommt aber doch erst meist während oder nach dem Tanz zur Vorstellung, obwohl sich der Herr, strenggenommen, sofort nachdem seine Aufforderung angenommen wurde, vorstellen müsste.
Sollte sich die auserwählte Dame in Begleitung eines Herrn befinden, wendet man sich an diesen mit einem höflichen „Gestatten Sie?“, ehe man seine Frage an die Betroffene selbst richtet. Der Begleiter steht daraufhin auf und wird die Frage voraussichtlich bejahen, es sei denn, die Dame selbst lehnt ab. Schließlich kann er der Entscheidung seiner Begleiterin nicht vorgreifen. Der Kavalier wartet stehend die Entscheidung der Dame ab. Diese kann direkt an den Aufforderer oder über ihren Begleiter ablehnen.
Höflicherweise macht sie das möglichst taktvoll und nicht unfreundlich. Nimmt sie an, bleibt der Begleiter der Dame so lange stehen, bis sie sich entfernt hat. Er erhebt sich auch wieder, wenn die Dame an den Tisch zurückkehrt. Es ist übrigens nicht üblich, eine Dame, die mit einem anderen Herrn tanzt, „abzuengagieren“. Unmittelbar nach einem Tanz soll eine Dame ebenfalls nicht auf der Tanzfläche aufgefordert werden.
Der Herr geht links, wenn er die Dame zur Tanzfläche führt. Er kann in einem dichten Getümmel auch vorangehen und den Weg bahnen. Man nimmt auf der Tanzfläche die Tanzhaltung ein, indem die Dame sich dem Herrn gegenüberstellt. Dabei steht man in Tanzrichtung, was auf dem Parkett etwa der Bedeutung einer Einbahnstraße im Verkehr gleichkommt. Nun umfasst der Herr die Dame mit der rechten Hand flach mit etwas Spannung und geschlossenen Fingern unterhalb des linken Schulterblattes. Die geöffnete linke Hand des Herrn nimmt die rechte Hand der Dame so, dass diese sichtbar oben auf der Hand des Herrn liegt, der sie sanft festhält. Die linke Hand des Herrn bleibt in Augenhöhe der Dame. Schließlich ist es der Herr, der unter Beachtung der Tanzkenntnisse und Wünsche der Dame die Führung übernimmt.
Die Dame legt ihre linke Hand meist auf den rechten Oberarm des Herrn, bei lateinamerikanischen Tänzen knapp unterhalb seiner Schulter in die Mulde zwischen Arm und Schlüsselbein. Die Dame selbst bewahrt Haltung und hängt sich nicht an den Herrn.
Da sich ein Tanzkurs auf dem Papier schlecht durchführen lässt, will ich Ihnen weitere Details ersparen. Tanzen gehört zum gesellschaftlichen Leben, und das Erlernen des internationalen Welttanzprogramms ist daraus nicht wegzudenken. Dass ein geübter Tänzer in Gesellschaften entsprechend willkommen ist, versteht sich von selbst. Merken Sie sich bitte nur, dass es unelegant wirkt, den Körper nicht ruhig zu halten, während man tanzt (falls es der Tanz nicht erfordert), und das Schaukeln des Herrn mit der linken Hand weithin deutlich macht, dass es mit seiner Tanzkunst nicht weit her ist.
Tanzen ist ein Ausdruck von Fröhlichkeit und Vergnügen. Eine kleine Plauderei nach jedem Tanz, ein paar aufmunternde Bemerkungen während desselben und ein freundliches Lächeln machen die Angelegenheit erst richtig nett.
Stößt man, während man sich fortbewegt, an ein anderes Paar an, so entschuldigt man sich natürlich. Dies gilt vor allem für den Herrn, der ja die Verantwortung für den Kurs des Paares trägt. Unter Umständen hat er sich auch bei seiner Partnerin zu entschuldigen, wenn nämlich seine Führung ihr tänzerisches Können übersteigt. Dann ist es durchaus denkbar, dass die Dame ihrem Herrn auf die Schuhe tritt und er sich dafür auch noch zu entschuldigen hat. Schließlich ist der Tanz nicht dazu da, dass der Herr sein tänzerisches Können zur Schau stellt, sondern dazu, um der Dame ein – möglichst ihrem Tanzkönnen entsprechendes – Vergnügen zu bereiten.
Nach dem Tanz führt der Herr seine Partnerin wieder an ihren Platz zurück, falls sie nicht den Wunsch äußert, weiterzutanzen. Man trennt sich also nicht auf der Tanzfläche, sondern geht gemeinsam dorthin, wo sich die Dame wieder zu ihrer Begleitung oder zu anderen Personen gesellen möchte. Dann verbeugt sich der Herr zum Zeichen des Dankes und verabschiedet sich wieder. Er darf sich nicht zu der Gruppe setzen, von der er die Dame abgeholt hat, es sei denn, er wird dazu aufgefordert. Auf keinen Fall aber lässt er die Dame alleine an einem Tisch zurück. Was man alles anstellen kann, um die Auserwählte noch ein wenig länger in seiner Nähe zu haben, ist am besten der eigenen Phantasie überlassen. Eine Einladung auf eine kühle Erfrischung an der Bar ist immer ein guter Tipp. Hat die Dame jedoch am Tisch einen Begleiter zurückgelassen, so ist es nicht sehr taktvoll, dessen Geduld über Gebühr zu strapazieren. Es sei denn, die Dame bestätigt diese Ausnahme durch ihren ausdrücklichen Wunsch. Allerdings ist es selbstverständlich, dass die Dame dies nur darf, wen sie nicht in Begleitung eines Herrn zum Ball gekommen ist, oder wenn sie ihren Herrn anderweitig „beschäftigt“ weiß.
Bei der Damenwahl darf die Dame, wie das Wort schon sagt, einen Tanzpartner wählen. Die Damenwahl ist ein Beweis dafür, dass es seit jeher ein Bestreben der Gesellschaft war, das aberwitzige Vorrecht eines Herrn, seine Tanzpartnerin alleine zu bestimmen, aus der Welt zu schaffen. Heute ist die Damenwahl daher eine Tradition, die bei großen Bällen nicht fehlt. Die Wahl darf von der Dame auch sitzend durchgeführt werden. Ein Herr, der von einer Dame bei der Damenwahl aufgefordert wird, beweist äußerst schlechte Manieren, wenn er sich sträubt. Unter Bekannten ist es durchaus üblich, dass auch die Damen mit einem „Möchtest du nicht tanzen?“ ihre Begleiter dazu motivieren, doch mit ihnen über das Parkett zu gleiten. Hat der Herr in diesem Augenblick absolut keine Lust dazu, kann er höchstens bitten, auf einen Tanz zu warten, der ihm mehr zusagt. Jede Dame wird dafür Verständnis haben. Ablehnen darf der Herr nie.
Herren, die zu einem Hausball geladen oder gar die Gastgeber sind, sollten im Verlauf des Abends möglichst mit jeder anwesenden Dame tanzen. Pärchen, die sich abkapseln und den ganzen Abend nur miteinander tanzen, tragen nicht gerade zum Gelingen der Veranstaltung bei. Auch wenn ein Herr mit mehreren Paaren oder Damen an einem Tisch sitzt, sollte er mit allen am Tisch anwesenden Damen wenigstens einmal tanzen bzw. jede der Damen einmal zu einem Tanz auffordern, der dem jeweiligen Geschmack und Können der Dame entspricht.
Quelle: DER ELMAYER, Gutes Benehmen Gefragt, Zsolnay Verlag
mit freundlicher Genehmigung des Autors Thomas Schäfer-Elmayer