Hat sich ein Herr dem riskanten Plan verschrieben, eine Dame anzusprechen, begeht er – warum, weiß kein Mensch – angeblich etwas sehr Unhöfliches. Das gehört sich nun wirklich nicht! meutern manche. Denn man spricht eine Dame nicht an, und diese lässt es für gewöhnlich auch gar nicht zu.Es bleibt nur offen: Wo wäre unsere Welt, wenn nicht unsere Väter einmal unseren Müttern vorgestellt worden wären oder sie vielleicht sogar irgendwo, in einem Lokal, auf der Straße oder bei einer Party angesprochen hätten?
Da das Unvermeidliche nicht als fein gilt und der Kavalier das auch weiß, ist eine der sichersten Methoden, es trotzdem zu tun, eine möglichst geschmack- und humorvolle Bemerkung oder Frage zur Situation in den Raum zu stellen. Erfolgt darauf keine Reaktion, so liegt der Dame kaum wohl an diesem Kontakt und sie wird deshalb nicht weiter belästigt.
Da sich Damen der Etikette zuliebe n i e ansprechen ließen, konnten sie umgekehrt auch unmöglich einen Mann ansprechen. Eine Dame wird aber immer eine Dame bleiben, ob sie nun als Geschäftsführerin eines Modekonzerns bei einem Empfang einen der anwesenden Herren um Feuer bittet (das ihr dieser aufmerksamerweise ohnedies von selbst reichen sollte) oder bei einer Party als eingeladene Single einen Bekannten oder den Gastgeber bittet: „Stell mir doch bitte diesen Herrn dort drüben vor.“ Gerade für eine Frau und ihre weibliche Phantasie stellt das Problem, mit einem Mann ins Gespräch zu kommen, keine unüberwindliche Herausforderung dar. In früheren Zeiten wurde da schon mit unzähligen fallen gelassenen Spitzentüchern Aufmerksamkeit erregt und Kontakt geschaffen. Was nie erlaubt war, wurde doch immer schon getan. Alles natürlich mit dem entsprechenden guten Ton, das heißt vor allem mit Takt und Respekt vor dem Mitmenschen.
Quelle: DER ELMAYER, Gutes Benehmen Gefragt, Zsolnay Verlag
mit freundlicher Genehmigung des Autors Thomas Schäfer-Elmayer
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